Sie ist die Erste, die ich etwas näher kennengelernt habe, bevor sie gestorben ist.
Sie sei austherapiert, sagte sie, nun müsse man sehen. Krebs also.
Sage mir keiner, Krebs mache vor Leuten, die immer Sport machen, sich vernünftig ernähren, nicht rauchen und Alkohol nur manchmal, dass also diese Leute, die nie einen Therapeuten brauchten und eigentlich immer zufrieden waren, dass also der Krebs vor diesen Leuten immer Halt macht.
Nein,- tut er nicht. Krebs ist banal. Banal in seiner Brutalität.
Frau S. war eine feine Frau,- so um die 70. Zierlich und mit einem kleinen schelmischen Humor.
Sie wollte eine Grafik für ihre Urnenkammer und wusste nicht so recht, wie man etwas „ikonisches“ machen kann, denn bei einer Gravur geht es nicht, dass man im Kopf das schönste Fotos seines Lebens hat und das dann graviert werden soll.
Sie war dann sicher: Fußspuren, die zum Horizont laufen.
Ich habe gesagt, das layoute ich gern, abends beim Rotwein.
Ach, hat sie gesagt, Rotwein würde ich auch gern noch mal trinken. Aber sie glaube, das sei kein Genuss mehr in ihrem Zustand.
Dabei lächelte sie wieder so verschmitzt.
Heute ist Frau S. verstorben. Krebs ist brutal, aber für Frau S. hätte ich mir mehr Chancen erbeten.
Stefan Schuster